Leseprobe »Wohin mit der Angst, Bruder?« (Teil I)

Die »Supertechnik«, die alle Ängste beseitigt?

aus: Teil I / Kapitel 1: Liebe und Angst

[…]
Hilft dir das [bisher Gesagte] im konkreten Fall weiter? Was kannst du mit diesen Erläuterungen anfangen, wenn dich Fragen dieser Art beschäftigen:

    • Mein Nachbar macht unerträglichen Lärm, das löst plötzliche Wutausbrüche aus. Wie gehe ich damit um?
    • Mein Vermieter verlangt unrechtmäßig Geld von mir, wie soll ich reagieren? Immer nur nachgeben?
    • Ich habe eine Krankheit, die mir Angst macht. Wie gehe ich damit um?
    • Ich gehe mit Angst ins Bett und schlafe mit Angst ein, ich habe Angst, dass mir/meiner Familie/meinen Freunden in der Nacht etwas passiert? Was kann ich dagegen tun?
    • Ich habe regelmäßig schwere Depressionen/Selbstmordgedanken etc. Wie sollen mir deine Erläuterungen dabei helfen?
      […]

Also kurz gesagt: Wie gehe ich mit meiner Angst um?

Angst ist letztlich ein Fall von falsch verstandener Identität! Kann denn die WIRKLICHKEIT Angst haben? Was für eine Frage! Kann die LIEBE Angst sein? Nein, keinesfalls. Kannst du etwas anderes als LIEBE sein? Nein.

Aber du erfährst dich als abgegrenzter, wankender, mal hilfloser, mal »erfolgreicher« Macher, der die Dinge um sich herum mehr oder weniger kontrollieren und beeinflussen kann. Das ist jedoch nur eine Rolle, die du als exzellenter Schauspieler spielst. Eine Rolle, die du nicht nur erlernt hast, sondern in der du ganz aufgehst. Mit anderen Worten: Du nimmst etwas als real wahr, was nicht wahr ist.
[…]
Du glaubst, die Angst sei irgendeine dunkle Macht, ein Symptom irgendwo tief in deinem »Selbst«. Aber wie du gesehen hast, ist das zu kurz gesprungen. Du bist die Angst – solange du dich mit dem Macher identifizierst.
[…]
Es gibt keine »Supertechnik«, die du einmal anwendest, und die Angst ist auf magische Art und Weise für immer verschwunden. Aber es gibt einen subtilen Prozess der allmählichen Öffnung für die »Lösung«, die jede Frage nach deinem »konkreten Handeln« mehr und mehr in den Hintergrund stellt.
[…]

***

Alles soll bleiben, wie es ist – nur ohne Angst

aus: Teil I / Kapitel 3: Der geschützte Raum des Geistes

[…]
Ich stelle dir daher eine einfache Frage: »Willst du die Symptome loswerden oder willst du geheilt sein?« An dieser Stelle hilft nur schonungslose Ehrlichkeit. Diese wird dir erfahrungsgemäß zeigen: »Ich will diesen ganzen Müll loswerden!« Vielleicht fragst du dich noch: »Ist das nicht dasselbe wie Heilung?«

Es ist nicht dasselbe. Das Beseitigen von Symptomen ist mit Sicherheit ein wunderbares Ziel und der Ansporn für all die Mühe, die du in dieses Ziel investierst. […] Aber dabei möchtest du beibehalten, was du bisher gelernt hast, was deine Vorlieben sind, welche Gewohnheiten dir wichtig sind, wie du deine Persönlichkeit ausdrückst, was du bist. Besser gesagt: Du möchtest alle deine Vorstellungen und Glaubenssätze, insbesondere dein Selbstkonzept, behalten – nur die Symptome sollen verschwinden.
[…]
[…]Angst ist, wie bereits mehrfach erwähnt, ein Fall von falsch verstandener Identität. Also verzichte auf die falsch verstandene Identität. Stelle in Frage, was du über dich gelernt hast. Vergiss die Angst, mit der du dich identifizierst. Und stelle fest, was sich »darunter« befindet, »unter« den zeitaufwendig, gründlich und intensiv gelernten Zwiebelschalen der Angst.
[…]
Da sind keine Glaubenssätze, die es zu erlernen gilt, da ist kein Wissen, das du dir aneignen solltest. […] Alles, worum ich bitte, ist die winzige Bereitwilligkeit, deine Sichtweise zu ändern. Ganz kurz. Mehr ist nicht erforderlich. […]
[..]
Wenden wir uns daher dem geschützten Raum des Geistes zu. Es ist tatsächlich so, dass er sich Worten und Überlegungen entzieht. Du kannst ihn nicht wahrnehmen, nicht fühlen, nicht (körperlich) empfinden und nicht gedanklich erfassen. Jede Vorstellung, jedes innere Bild, jedes Objekt oder Symbol, dass du dir von diesem »Raum« machst, verschleiert ihn. Er ist kein »Ding«! Das kann man nicht genug betonen.

Der »Raum« ist da! Er ist präsent. Er ist offensichtlich. Denn du hast ihn nie verlassen! Das ist der Sinn, warum es darum geht, deine Sichtweise zu ändern. Das ist genau die spirituelle Dimension, über die ich hier spreche: Der »Geist« ist gemeint. Der geschützte Raum des Geistes hat etwas mit Spiritualität zu tun. Es geht um dich, um das, was du bist, jenseits deiner Vorstellungen, Glaubenssätze und Vorlieben.
[…]
Wie kannst du dich an den Raum des Geistes erinnern, wie kannst du ihn erfahren? Wie kannst du den winzigen, wahnhaften Gedanken der Angst, der du glaubst zu sein, in der Geborgenheit des geschützten Raums des Geistes in seinem ganzen vermeintlichen Schrecken ansehen, um ihn der Wirklichkeit zurückzugeben?
[…]
Die [beschriebene] Vorgehensweise führt dich mit Sicherheit über kurz oder lang zur Erfahrung des geschützten Raums des Geistes. Vielleicht unmittelbar, vielleicht in 10 Minuten, vielleicht nach einem Tag, nach einer Woche, nach einem Monat. Vielleicht in einem Jahr. Oder nach 10 Jahren. Vielleicht auch nach 40 oder 50 Jahren. Oder in 1.000 Jahren. Es spielt keine Rolle, denn du bis fast 14 Milliarden Jahre (so alt ist das Universum) ohne diesen Raum ausgekommen.

***

Qualitäten der WIRKLICHKEIT

aus: Teil I / Kapitel 4: Vergiss deinen Plan

Angstgefühle, unabhängig von ihrer Form, gehen dir gewöhnlich ziemlich auf den Keks: Sie stören nach wie vor, obwohl du schon mehrere Kapitel dieses Buches gelesen hast. Sie sind auch höchst unangenehm und du empfindest sie als ziemlich überflüssig – also willst du sie vermutlich so schnell wie möglich loswerden. Sie sollen verschwinden. […]
[…]
Auch dein Innerer Therapeut, der wirkliche Kern deines SELBST, deine QUELLE, wird dir die Angst nicht so mir nichts dir nichts wegnehmen. Denn das würde gemäß deinem »Plan« Schlimmeres hervorrufen und möglicherweise sogar Todesangst wegen des Verlusts deines Selbstes hervorrufen – ich habe es ja bereits häufiger erwähnt: Angst ist ein Fall von falsch verstandener Identität. Du hast Angst vor deinem SELBST. Denn wenn du es findest, verlierst du das Selbst, das du erlernt hast. Das du irrtümlicherweise glaubst zu sein.

Dein Innerer Therapeut (und vielleicht auch dein »äußerer« Therapeut, wenn du in Behandlung bist) wird dir daher nicht als »der weiße Ritter« begegnen, dessen vordergründige Aufgabe es ist, die Angstsymptome zu beseitigen, um dich dadurch zu »heilen«. […]

Der Innere Therapeut aber kennt deine WIRKLICHKEIT. […] Er wird dir im geschützten Raum des Geistes das schlüssige Bild deiner Angst aufzeigen und dir damit zeigen – dass du derjenige bist, der deine Angst hervorruft! […] Und damit bist du auch nicht dem Therapeuten ausgeliefert, weil du denkst, nur er könne deine Angst reparieren. Er kann es gar nicht. Aber du – und nur du – kannst es. Mit seiner Hilfe.
[…]
Im letzten Kapitel habe ich dir ja bereits zwei Wege gezeigt, den geschützten Raum des Geistes zu erleben, ihn dir zeigen zu lassen oder dich daran zu erinnern. Aber vielleicht waren diese beiden Vorgehensweisen zu einfach für dich. Ja, das meine ich wirklich: zu einfach!
[…]
Daher möchte ich dir noch einen weiteren Weg aufzeigen, indem ich dich bei der Hand nehme und versuche, den Zugang über die »Qualitäten der WIRKLICHKEIT« mit dir zu gehen.

Was kann man darunter verstehen? Man könnte diese »Qualitäten« als Eigenschaften verstehen, wie die Widerspiegelung der WIRKLICHKEIT im Bewusstsein, also in dieser Welt, erfahren wird. Aus dem Kontinuum dieser Qualitäten wähle ich drei aus: klares Gewahrsein, Liebe und urteilsfreie sensorische Empfindungen (Vgl. Blackstone, Judith: The Enlightenment Process: A Guide to Embodied Spiritual Awakening (Revised and Expanded), St. Paul, Minnesota, USA: Paragon House Publishers, 2008/2011, S. 35). […]


Das Tor der Qualitäten

Ein gerader Rücken hat bei diesem Vorgehen Vorteile, daher sitze vorzugsweise aufrecht oder lege dich flach hin – tu das, was für dich einfacher ist.

Beginnen wir damit, dass du den inneren Raum deines Körpers spürst, also den Raum, der von deinem Körper umschlossen wird. […]


***

Der Kreis schließt sich

aus: Teil I / Kapitel 5: Wohin denn nun mit der Angst?

Wir sind am Ende des ersten Teils angekommen. Was mich vor das Problem stellt, ob ich abschließend schreibe: »Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit und freue dich auf die Fortsetzung mit Michael!«, oder lieber noch irgendetwas spirituell Bedeutsames zu Papier bringe.
[…]
Dann geschieht auf einmal das, was in der Zusammenarbeit zwischen Michael und mir beim Schreiben von Büchern (und dies ist bereits das zweite Buch) häufig zu beobachten ist: Ein Hinweis oder eine Aussage in einem beliebigen Zusammenhang löst den vermeintlichen Knoten.

In diesem Fall ist es eine Frage, die sich jeder Einzelne stellen kann, und die Michael in unseren Telegram-Kanal stellte: »Halte ich es für möglich, dass die LIEBE abwesend sein kann?«

Das führt mich zu einer Meditation zu dieser Frage:

Dieser Moment ist vollständig, erfüllt und geeignet – um zur LIEBE befreit zu sein.
Es fehlt an nichts.

Die Vorstellung, es könne jemals einen Moment geben, der vollständiger, erfüllter und besser geeignet wäre, ist eine Illusion. So wie die Vorstellung, die Gegenwart sei unzureichend und unvollständig.

Die langen Jahre der Vorbereitung und Arbeit an mir: Das war wahrscheinlich notwendig und gut. Es hat mich vermutlich in mancher Hinsicht zu einem »besseren« Menschen gemacht. Aber – es hatte keinen Einfluss auf die LIEBE. Auf meine wahre Natur. Die ich immer schon BIN.

Es hat mich nicht freier gemacht. Oder erleuchteter. Meine wahre Natur ist immer schon frei. Immer schon erleuchtet.

Es gibt nichts vorzubereiten, damit sich in der Zukunft etwas ändern KANN oder WIRD. Es gibt keinen Grund für Übungen, die sich auf einen zukünftigen Moment beziehen. Oder eine Praxis, die darauf ausgerichtet ist, etwas in Zukunft zu erreichen. Warum verlege ich die LIEBE, meine wahre Natur, in die Zukunft?

»Zukunft« ist ein Fantasiegebilde. »Zeit« ist ein Taschenspielertrick. Da ist nur – dieser Moment. Es gibt keine Zukunft.

Es gibt keinerlei Hindernisse vor der LIEBE.

Ich finde viele Dinge in meiner Erfahrung des Augenblicks, die Hindernisse für meine Freiheit zu sein scheinen.

Nichts, was auftauchen kann, ist ein Hindernis für die natürliche Freiheit meiner wahren Identität. Es gibt nichts, was davon ausgeschlossen ist.
Es gibt nichts zu beseitigen, zu läutern, zu ändern, zu vergeben.

Ich BIN Vergebung: Es ist nichts geschehen; nichts fehlt; nichts muss erreicht werden.
Ich bin DAS.

Ich brauche nur aufzuhören, darauf zu bestehen, dass es nicht so ist.

So schließt sich der Kreis.
[…]

© 2020 Gregor Geißmann • Michael Feuser. Alle Rechte vorbehalten.